Armeeführung und Militäreliten in Byzanz, 1081–1203
Selektion, Hierarchie, Repräsentation
Abstract
Das mittelalterliche Byzanz erlebte während des „langen“ zwölften Jahrhunderts (1081-1204) eine letzte Phase als mediterrane Großmacht. Nach den Krisen des ausgehenden elften Jahrhunderts führte die Etablierung der komnenischen Herrscherdynastie zu einer Periode innerer und äußerer Stabilität. Erst in den politisch und militärisch turbulenten 1180er Jahren sollte das System erneut unter massiven Druck geraten, bevor die Zäsur des IV. Kreuzzuges (1204) gar das vorläufige Ende der staatlichen Einheit brachte.
Die byzantinischen Streitkräfte spielten in dieser Zeit stets eine zentrale Rolle für Staat und Gesellschaft, nicht nur als Instrument der Gewaltausübung und Herrschaftsdurchsetzung, sondern auch als Arbeitgeber, Konsument von Gütern und Dienstleistungen, Betätigungsfeld der Machtelite, Kanal sozialen Aufstiegs und Ort der Integration ausländischer Eliten. Die kaiserlichen Feldherren und Kommandeure lassen sich nicht als reine Funktionselite betrachten, sondern sie waren eingebunden in den Mikrokosmos des Hofes, in Familien- und Patronagebeziehungen, regionale und ethnische Netzwerke. Ihre Geschichte ist nicht nur Militär- sondern stets auch Sozial-, Politik,- Wirtschafts-, und Kulturgeschichte.
Das vorliegende Werk analysiert zum ersten Mal systematisch die personelle, soziale, ethnische und regionale Zusammensetzung der kaiserlichen Feldherren und Offiziere. Die Dynamik politischer, gesellschaftlicher und militärischer Rahmenbedingungen veränderte immer wieder die Personalstrategien der aufeinanderfolgenden Regierungen wie auch die Praktiken der Auswahl und Selektion sowie den Umgang mit formellen und informellen Hierarchien. Die Strukturen und Praktiken militärischer Führung waren dabei stets in gesellschafts- und zeitspezifische Semantiken und Diskurse eingebettet, die ein spezifisch byzantinisches Bild militärischer Führungskultur erkennen lassen.